Die Priesterschrift und die vorexilische Zeit

Altes Testament -> Forschungsgeschichte /-überblick

 

Kaufmanns vernachlässigter Beitrag zur Geschichte der biblischen Religion

Thomas M. Krapf

 

Orbis Biblicus et Orientalis 119

Universitätsverlag Freiburg Schweiz

1992, 351 Seiten

 

Aus der Vorbemerkung:

"Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher unerschütterlichen Sicherheit die Mehrzahl der Exegeten die Priesterschrift (P) in die exilisch-nachexilische Zeit zu datieren vermag. Nicht weniger bemerkenswert sind jene bis zur Stunde noch nicht überwundenen Komplikationen, welche die Arbeiten von Yehezkel Kaufmann (1889-1963) sowie die Publikationen der von ihm beeinflussten Exegeten in der wissenschaftlichen Diskussion verursachen: Ihre Sicht, wonach P in seiner Gesamtheit vor dem Exil entstanden sei, scheint das anerkannte Bild von der Geschichte Israels und von der biblischen Literatur so radikal zu modifizieren, dass eine grosse Anzahl von Exegeten sich ausserstande sieht, eine sachliche Diskussion über den Inhalt dieser aussergewöhnlichen Position zu führen [...].

Zweifelsohne entzieht der kaufmannsche Ansatz unumstritten geltenden Axiomata und traditionsreichen Prämissen theologischer und historischer Natur den Boden. Damit ist die Abneigung gegen die Positionen Kaufmanns und seiner Nachfolger psychologisch erklärbar; vertretbar ist sie überhaupt nicht, und sei es nur aus Gründen der methodischen Redlichkeit."

 

Im deutschsprachigen Raum kann man heute die exilische Datierung der "Priesterschrift" ohne Begründung voraussetzen. Diese forschungsgeschichtliche Monographie zeigt nicht nur, dass die exilische Datierung der Priesterschrift nicht als bewiesen gelten kann, sondern auch, wie insbesondere im deutschen Sprachraum über Jahrzehnte hinweg unliebsame Positionen ignoriert oder als fundamentalistisch abqualifiziert wurden - in Unkenntnis der Sache. Wie der Autor im Vorwort bemerkt, musste er diese Erfahrung selbst machen, als er diese Monographie bei verschiedenen Verlagen einzureichen versuchte: Sie bestanden darauf, "den ersten Hauptteil zur Forschungsgeschichte einer dubiosen Zensur zu unterziehen" (S.XVII), wobei auf Nachfrage deutlich wurde, "dass sie sich nicht an methodischen Mängeln störten, sondern der geäusserten Meinung kein Gehör zugestehen wollten".

 

Zu ergänzen ist, dass mit der Aufnahme des Ezekiel-Kommentars von M. Greenberg und des Chronik-Kommentars von S. Japhet in HThKAT inzwischen zwei von Kaufmann beeinflusste ExegetInnen mehr Gehör finden, wenn auch Greenberg sich z.B. von Pohlmann (Ezechiel, der Stand der theologischen Diskussion, 2008) immer noch das Etikett "fundamentalistisch" (S.33) gefallen lassen muss.

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